Warum noch arbeiten, wenn du doch einfach von Dividenden leben kannst?
So oder so ähnlich wollen dir die Medien den größten Bären aller Zeiten aufbinden!
Wenn du dich schon länger mit dem Thema Investieren auseinandersetzt, dann ist dir vielleicht schon einmal die "Dividenden-Strategie“ untergekommen. In einem YouTube-Video sitzt ein junger Typ Anfang 30 (nennen wir ihn Finn) und erzählt dir, „wie auch du es schaffen kannst“! Was er damit meint? Ganz einfach: Du sollst passives Einkommen generieren, also in Aktien investieren, die eine möglichst hohe Dividende ausschütten und davon leben!
Jetzt aber mal langsam! Passives Einkommen; was ist das überhaupt? Passives Einkommen ist Geld, das du verdienst, ohne aktiv dafür arbeiten zu müssen. Es ist, als hättest du einen kleinen Geldbaum, der immer weiterwächst und dir Geld einbringt, auch wenn du gar nichts tust. Nehmen wir zum Beispiel an, du kaufst eine Mietwohnung und vermietest sie an Mieter:innen. Sie zahlen dir jeden Monat Miete, was dein passives Einkommen ist. Wenn du keinen Kredit auf diese Immobilie aufgenommen hast, dann steht dir sogar das ganze Mieteinkommen zur freien Verfügung. Du musst nicht jeden Tag arbeiten, um das Geld zu verdienen, weil die Immobilie die Arbeit für dich erledigt.
Das Tolle am passiven Einkommen ist, dass es finanzielle Sicherheit und Freiheit bieten kann. Es ermöglicht dir, Geld zu verdienen, während du schläfst, reist oder anderen Interessen nachgehst. Das hört sich zu gut an, um wahr zu sein? Lass uns herausfinden, was wirklich dahinter steckt.
Kommen wir zum zweiten “Fremdwort”: Was waren nochmal Dividenden? Stellen wir uns einmal folgende Situation vor: Eine Landwirtin aus deiner Region ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten und fragt dich, ob du ihr nicht einen kleinen Teil von ihrem Kartoffelfeld abkaufen möchtest und damit zum Teil-Eigentümer der Landwirtschaft wirst.
Du musst nichts machen, außer ihr das Geld überweisen und bekommst dann im frühen Herbst die Kartoffeln von ihr geliefert. Sollte es im Sommer viel regnen und die Kartoffeln gut gedeihen, zahlt sich deine Investition richtig aus. Sollte das Wetter aber nicht auf deiner Seite sein, kann es passieren, dass die Ernte sehr mager ausfällt. Wenn du eine Aktie kaufst, dann verhält es sich ähnlich, wie mit dem Kartoffelfeld. Du kaufst mit einer Aktie einen kleinen Anteil an einem Unternehmen. Das Unternehmen teilt dann auch seine Gewinne, also im übertragenen Sinne die Kartoffeln, mit dir. Der Gewinn, der dir ausgezahlt wird, nennt man auch Dividende.
Die Dividende ist Geld, das du ZUSÄTZLICH zum potenziellen Aktienkurs Gewinn machen kannst. Diese ist unabhängig davon, ob die Aktienkurse nach oben oder unten gehen. Eine Dividende wird in der Regel jährlich gezahlt und landet dann direkt auf deinem Konto. Die Dividende ist auch der Grund, warum es ausschüttende und thesaurierende ETFs gibt. Bei ausschüttenden ETFs wird dir die Dividende direkt auf dein Konto ausgezahlt. Thesaurierende ETFs hingegen reinvestieren die Dividende direkt wieder.
Das heißt, dass mit den erzielten Gewinnen neue Anteile vom ETF gekauft werden. Es ist ganz normal, dass manche Unternehmen eine Dividende auszahlen, also die Gewinne mit dir teilen und andere nicht. Unternehmen, die keine Dividende zahlen, befinden sich häufig noch in der Wachstumsphase und müssen alle erzielten Gewinne nutzen, um zu expandieren. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Tesla, Airbnb oder aber auch Netflix.
Unternehmen, die in der Vergangenheit Dividenden ausgezahlt haben, sind Lufthansa, Bayer, Deutsche Bank, Walgreens oder Microsoft. Diese machen oft seit Jahrzehnten stabile Gewinne und haben ein solides Geschäftsmodell. Daher brauchen sie weniger Geld, um stark zu wachsen.
Okay, Grundkonzept verstanden: Wenn ein Unternehmen seine Gewinne mit mir teilt, dann nennt es sich Dividende und das ist dann auch gleichzeitig passives Einkommen. Du hast ja nicht aktiv dafür gearbeitet, damit das Unternehmen seine Gewinne mit dir teilt. Das Geld kommt einfach so auf deinem Konto an.
Kommen wir zurück zu Finn, dem Typen aus dem YouTube-Video, den wir gerade bei seiner „So musst du nie wieder arbeiten gehen“-Erklärung unterbrochen haben. Seine Theorie: Lege dir einfach ganz viele Aktien ins Depot, die eine hohe Dividende ausschütten und der Tag gehört dir.
Lass uns das Pferd mal von hinten aufzäumen. Um von den Dividenden leben zu können, müssen wir uns erst einmal überlegen, wie viel Geld wir denn überhaupt zum Leben brauchen. Der einfachheitshalber lassen wir bei unserem Beispiel mal die Steuern außen vor. Wir sprechen hier also nur von Nettobeträgen, also dem Geld, was tatsächlich bei dir auf dem Konto ankommt.
Sagen wir mal, du brauchst im Monat netto 2.500€, um alle deine Ausgaben zu decken. Hiermit muss dann aber auch wirklich alles gezahlt werden: Lebensmittel, Miete, Versicherungen, Geschenke und Urlaub. Was wären das im Jahr? Fix nachgerechnet: 30.000€.
Wir halten also fest: Um von der Dividenden-Strategie, bzw. dem passiven Einkommen leben zu können, müssten dir jährlich 30.000€ an Unternehmensgewinnen, also an Dividenden, ausgezahlt werden. Das hört sich jetzt erstmal viel an... und ist es tatsächlich auch! Aber Finn sagt ja, dass „auch wir es schaffen können“. Also lass uns mal weiter rechnen...
Die Dividende hat im letzten Jahr im Deutschen Aktienleitindex DAX im Durchschnitt 3,5% betragen. Das ist jetzt vielleicht kein atemberaubendes Ergebnis, aber neben dem MSCI World, der nur 1,4% Dividende erwirtschaftet hat, glänzt der DAX richtig. Währenddessen schafft es der MSCI Europe mit Fokus auf Dividenden auf sage und schreibe 3,85%.
Fragst du dich jetzt, was DAX und MSCI World bedeutet? DAX bedeutet ausgeschrieben Deutscher Aktienleitindex und beinhaltet die größten 40 deutschen Unternehmen, wie bpsw. BMW, die Allianz oder Adidas. Der MSCI World investiert hingegen weltweit in 23 Industrieländer, 11 Branchen und 1.600 Unternehmen. Wir sprechen beim DAX und MSCI World auch von einem Index.
Aber lass uns bei unserem Anfangsbeispiel, dem DAX mit 3,5% Dividende bleiben. Wie viel Geld müsstest du investiert haben, damit du dir jedes Jahr 30.000€ auszahlen könntest? Um das herauszufinden, müssen wir lediglich die 30.000€ durch 3,5% teilen und erhalten unseren Depotwert von 857.142€. Du müsstest also 857.142€ investiert haben, damit du von deinen DAX-Dividenden leben könntest. Und den Fall haben wir jetzt ohne Steuern gerechnet. Wenn wir überlegen, dass du auf die Dividenden noch Kapitalertragssteuer in der realen Welt zahlen musst, dann müsste dein Depotwert sogar noch höher sein!
Da hat uns Finn einen ganz schönen Bären aufgebunden! Solltest du nicht zufällig schon 857.142€ als Startsumme zum Investieren übrig haben, müsstest du erst über viele Jahrzehnte kontinuierlich investieren, um diesen Depotwert zu erreichen. Um genau zu sein, müsstest du monatlich 500€ über 33 Jahre bei 8% Rendite anlegen.
33 Jahre sind eine lange Zeit, dann bist du vielleicht schon fast in Rente. Aber genau das ist der springende Punkt! Denn die Dividenden-Strategie kann sich sehr gut fürs Alter eignen, wenn du von deinen Ersparnissen und eben auch Dividenden lebst. Davor ist es aber eher ein schwieriges Unterfangen, denn du musst dir erstmal eine signifikant hohe Summe angespart haben.
Hoffentlich hat dich dieser Blog-Beitrag zum Nachdenken angeregt und du hinterfragst in Zukunft noch kritischer Informationen, die du über YouTube, die sozialen Medien oder generell das Internet konsumierst. Es ist nicht immer alles Gold was glänzt und es sind mehr Menschen als Finn dort draußen, als du vielleicht meinst!